Preisträger 2010 ist Sunil Mann

mit seinen Erstlingswerk „Fangschuss“

Der Zürcher Krimipreis 2010 geht an Sunil Manns «Fangschuss». Die dritte Verleihung ist schon derart beliebt, dass man sich wohl nach einem neuen Ort umsehen muss.

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Eine einzige Kategorie, drei Nominierte, ein Haupt- und zwei zweite Preise: Kann das überhaupt spannend und amüsant sein? Es kann! Was Hollywoods Schauspiel-Akademie mit einem stundenlangen Tanz um goldene Statuetten und verschlossene Kuverts nicht hinkriegt, klappt in Wipkingen jedes Jahr besser: Die Verleihung des Zürcher Krimipreises war spannend, amüsant und erbauend dazu, weil man die Werke der drei Autoren auch gleich kaufen und signieren lassen konnte.

Spannend war der Abend im proppenvollen, mit Postern vom Paten Marlon Brando oder dem Superagenten James Bond stimmig her­gerichteten Saal des GZ Wipkingen deshalb, weil erstens jeder der drei Nominierten aus einem Krimi vorlas (wobei Herzig sogar einige anrüchige Passagen ausgelassen hat).

Zweitens enthielten auch die Gespräche, die Moderatorin Esther Schneider (Radiomoderatorin DRS 1, «Persönlich») mit den Autoren führte, viel mehr als: «Ich weiss nicht, was ich sagen soll…» und «Ich danke meinen Eltern…». Warum er zum Beispiel eine draufgängerische, aber weibliche Hauptfigur gewählt habe, wollte sie etwa von Herzig wissen. «Diese Perspektive war einerseits eine Herausforderung und verhinderte andererseits, dass zu viel von mir in dem Buch ist», erklärte der Gefragte. Der indischstämmige Sunil Mann vermutete, dass seine Mutter nur deshalb nichts Negatives über sein Buch – das sich durchaus streckenweise kritisch mit dem Einwanderermilieu auseinandersetzt – sagt, weil sie eben seine Mutter sei. Und Res Perrot sagt über seinen dicklichen Wachtmeister Grossen­bacher, er sei ein «Berner Chnorz».

Zürich wird immer braver
Auffällig ist, dass alle drei Autoren zumindest ihre Kindheit im Bern­biet verbracht haben, das auch nach Gotthelf, Matter und Co. Wortgewandte hervorbringt. Eine Erklärung für dieses Phänomen hatten die Autoren allerdings auch nicht. Doch für den Ort des Geschehens, Zürich, sehr wohl: «Pure Bequemlichkeit» etwa, weil man zum Recherchieren nur kurz aufs Velo steigen muss. Oder: «Der Leser kann den Schauplätzen nachlaufen.» Allerdings seien diese wegen der fortschreitenden «Aufwertung», auch im Langstrassenquartier, auch immer braver – und damit krimitechnisch uninteressant.

Das konnte man von der musikalischen Begleitung des Abends nicht sagen: Selten wurde Krimi-Musik­literatur so blumig angekündigt wie vom Duo «Die Kriminologen»: Auf die Einleitung: «Das folgende Lied handelt von der Grausamkeit der Menschen gegeneinander, zum Beispiel Folter durch Schlafentzug», folgte «Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett», der Schlager von Bill Ramsey aus dem gleichnamigen Film.

Jury macht es sich nicht leicht: Nach Lektüre und harten Diskussionen hatte sich die zehnköpfige Jury übrigens für Sunil Manns «Fangschuss» als Krimi des Jahres entschieden. Er handelt vom ebenso jungen wie naiven Privatdetektiv ­Vijay Kumar, indischer Abstammung und unerfahren, der eine Katze ­suchen soll und alsbald über eine Leiche stolpert. Jurorin Inge Mathis würdigte die ihm eigene, unverkennbare Manier, mit der Mann Zürich beschreibt, und überreichte ihm die grosse Lupe, welche gleichbedeutend ist mit 3000 Franken Preisgeld, gestiftet vom Quartierverein, der den Anlass auch organisiert. Und sie beginnt in Kürze mit dem Lesen neuer Krimis, die grösstenteils in Zürich und zwischen Oktober 2010 und September 2011 in Buchform erscheinen. Darunter wird dann auch der Krimi des Jahres 2011 sein.
Roger Suter, Zürich Nord